Dulce est, inter maiorum versari
habitacula et veterum dicta
factaque recensere memoria.
Egesippus.
(Zitat nach Adalbert Stifter,
Die Mappe meines Urgrossvaters
1841, Die Altertümer)
Ahnen?
Den Begriff von Ahnen beherzigte der Schreibende erst als lesefertiger Knabe der aus der urgrossväterlichen Bücherei neben Gustav Freytags "Soll und Haben" auch dessen "die Ahnen" zum nächlichen heimlichen Lesen unter der Bettdecke in Berner Ferienzeiten bemühte. Dass die überquellenden Regale auch Felix Dahns " Kampf um Rom" und zahllose nordische Literaturen beherbergten, liessen erst viel später die Neugier erwachen, warum gerade diese Bände in ihrer etwas muffigen Aura vorhanden waren, nämlich, weil die Vorväter persönlich mit den betreffenden Autoren verkehrt hatten oder als Germanisten einen Gutteil dazu beitrugen. Erst heute, wo der Schreibende selbst zum Ahnen zu geraten droht, wird einem bewusst, dass ein faszinierender Schauer ausgeht aus den vielfältigen Verknüpfungen, die eine verblassende Familiensaga bildet, der nachzugehen plötzlich angesichts aller Endhaftigkeit nicht nur interessant, sondern vordringlich zu werden scheint, gemessen an der Ahnungslosigkeit der jüngeren und jüngsten Generationen. Ob die Bilanzen aus einem Abwägen von "Soll und Haben" des Ahnenforschens fruchtragend sein werden, ist auf anderen künftigen fliegenden Blättern zu suchen. Vielleicht ist es auch müssig und dient nur dem Schreiber, sich ein Gran besseres Gewissen vor der Familiengeschichte zu verschaffen, der er so lange den Rücken gekehrt hatte...
Wer sind denn nun die Weddigens?
Weddigen ist der Name einer weit verzweigten westfälisch-niedersächsischen Familie. Genauer erklärte ihn ein Familienmitglied, das wir hier zitieren: "Der Familienname Weddigen (Weddig, Wedige, Weddingen) ist niederdeutschen Ursprungs. Etymologisch erklärt, bedeutet das Wort 'Wäldchen', denn der Stamm 'wid' geht auf altdeutsches 'widu' (Wald) zurück, wobei das 'e' vorzüglich durch niederdeutschen Einfluß entstanden ist [Stamm auch vidus (got.), vitu (ahd.), vudu (ags.) = lignum, silva= Wald]. An die Kose- und Diminutivform hat sich dann der schwache, patronymische Genitiv auf 'en' angefügt. Nach anderer Deutung ist die [Herkunfts- oder Verkleinerungs-] Silbe 'ig' aus 'ing' entstanden, wie Hennig aus Henning, Sohn des Heinrich, kleiner Heinrich. [...] Es bedeutet also Weddigen etwa Söhne des Waldes [...]." Gemäss Graf'scher Worterklärung könnte das Suffix auch aus "Widu-jan" "-läufer" bedeuten und zu Mythenbildung beigetragen haben. L. Schücking und F. Feiligrath fanden im Wittekindsberg genannten Höhenzug der Weserscharte bei Minden (Porta Westfalica) als Mons Wedigonis vieleicht den Ursprungsort der Sippe, denn die Namensform Wedigo käme z.Zt. noch als Vorname der Familie von Wedel vor. Die Namensform Wedige oder Weddige ist wohl älter als die mit dem auslautenden "n". (etwa in der Leipziger Universitätsmatrikel von 1468 mit einem 'Gerhardus Weddige de Bremis'. Ebenso entstammen Wortschöpfungen wie Witiko, Widego, Widukind, Wedeking, Wiedeking oder Wedekind, schliesslich der Kölner Linie der von Wedig (-ich) der gleichen Wurzel, wenn nicht der Stammeswurzel eines urtümlichen Clans.
Des Ahnherr Johannes Weddigen (1762-1827) Bruder (s. Beiträge zur Ahnengeschichte als PDF), Peter Henrich Weddigen, Kaufmann in Nordhausen (1768-1828 verh. mit Luise von Sobbe aus Bielefeld 1771-1848) ist beispielsweise Ahne der Herforder Linie Weddigen mit dem Spross U-Boot-Kapitän-Leutnant Otto. Dieser wurde als elftes und jüngstes Kind eines Leinenfabrikanten Eduard geboren.
Die weitverzweigte Familie - einige wollen einen Strang nach Köln ins patrizische "Weddigehaus" des 15.Jhs. zurückverfolgen (Caspar von Weddige oder Christine von Weddige, Äbtissin von Rolandswerth) - gehörte zu den Angesehensten des Ravensberger Landes und hat über mehrere Generationen mitunter evangelische Geistliche, Wissenschaftler, Schriftsteller, und Kaufleute, aber auch erfolgreiche Landwirte hervorgebracht. So existiert die Leinenweberei Weddigen noch heute, wie ein üppiger Nachwuchs in den USA floriert, oder wie es einen Ordinarius an der Univerität Zürich gibt.
Es sei indessen betont, dass hier keine echte Ahnenforschung betrieben sein will und auf jede Vollständigkeit verzichtet wird. Es gilt einigen "Altvorderen" Lichter aufzusetzen die noch erreichbar bleiben, und dazu ist der Beitrag der W.-Gemeinschaft unabdinglich, die uns mit Erinnerungen, Tagebuch-Notizen und Schriftstücken bereichert, die ansonst der Vergessenheit anheimfielen. Eine gestalterische Abrundung des Unterfangens können wir deshalb nicht voraussehen: unsere Seiten sind in Zukunft ein begehbarer Steinbruch, der sich unentwegt ändert, insofern die Gemeinschaft genügend Interesse beibringt, jenen in einen fruchtbaren Weinberg zu verwandeln.
Zum Weddigen'schen Familienwappen:
Bislang ist des weiteren folgendes bekannt: Das Wappen ist nach dem Siegel von Peter Daniel Weddigen, Pastor in Hartum, geb. 1659, gest. 25.6.1740 zu Herzberg übernommen. Die Farben sind dagegen dem Wappen angepasst, welches im Adelsbrief vom 19.3.1740 des Hannoverschen Dragonerobersten Friedrich Florenz Weddigen (geb. 23.2.1671 zu Hartum, gest. 25.6.1740 zu Herzberg) wie folgt beschrieben ist:
"Einem in Zwey Theile nach der Quer abgeteilten Schild, in dessen oberen roth- oder rubinfarbigen Feldung ein weiss oder silberfarbes, zum gehen geschicktes Lamm. In der unteren blau- oder lasurfarbenen Feldung aber Drey gelb- oder Gold-farbe, auf drey grünen Hügeln aufrecht stehende Gersten-Äher zu versehen. Auf dem Schild ruhet ein frey-offener, vorwärts gekehrter blau angeloffener, rothgefütterter, adelicher Turniershelm mit anhangendem Kleinod und einem weiss-roth- und blauen umwundenen Pausch; Rechterseits mit roth- und weissem, linkerseits aber mit blau und gelbem vermischt-herabhangenden Helm-Decken gezieret. Und auf dem Pausch das im Schild beschriebene Lamm abermahlen erscheint. Solch adeliches Wappen auch in Mitte dieses Unseres Kayserlichen Gnadenbriefes mit Farben eigentlich entworffen ist."
Unser bürgerliches Wappen können wir nur sinnvoll diesem Wappen anpassen: Das Emblem des Wappens, das zum 'Gehen geschickte Lamm' weiss-silbern im roten Feld. 'Die drei Ähren' als Helmzier in Gold, Helm stahlblau mit roter Fütterung; Helmdeckon rechts rot-silbern, links blau-gold (rechts und links gelten in der Heraldik stets vom Schildträger aus gesehen, also umgekehrt, wie wir das Wappen sehen).(G.Sch)
Ein von Westfalen nach Berlin übersiedelter Strang der Familie führte übrigens statt des genannten 'Lammes und der drei Ähren' im Wappen einen 'äsenden Hirsch unter einem Eichenbaum'. E.W.Röhrig plädierte hingegen für einen ursprünglichen heidnischen Widder, der dem germanischen Widar-Gott (althochdeutsch Wed(th)r und Verkleinerungssilbe -ge, -go) angehörte...
Otto Johannes W. mochte die Weddigen'sche christophile Heraldik nicht, da dem Agnostiker weder ein "thumbes Schaf", das nach Phädrus jedes Unrecht erträgt, geschweige ein kreuztragendes passte. Ein wie oben zu rechtfertigender Widder mit dem Gleichklang des Weddigen hätte ihm eher zugesagt. Er, meerverliebt und traditionsfern, liess sich statt dessen einen Siegelring mit dem Sänger Arion auf dem Delphin (Herodot, I,23-24) in blauen Stein schneiden, gemäss dem tarentinischen Münzmotiv des Taras, das er auch von Shmuel Shapiro an seine Wohnzimmerwand in Wildflecken malen liess.